Es ist wirklich alles anders in diesem Jahr. Ich bin ein bisschen planlos und obwohl ich Orientierung habe, fühlt es sich an, als wäre es nicht so.
Ich bin am Dienstag einfach losgefahren. Wenn ich schreibe „die Decke ist mir auf den Kopf gefallen“… dann entspricht das irgendwie nicht der Wahrheit und dann wieder doch.
Mir war weder langweilig noch war ich einsam. Ich hatte Besuch, war viel unterwegs, hatte viele tolle Gespräche… und trotzdem fiel mir die Decke auf den Kopf.
Alles in mir schrie „du musst weg“… irgendwohin, wo Weite ist und Ruhe und wenig Menschen. Irgendwohin, wo ich nachdenken kann. Ein Ort, an dem die Finger wieder über die Tasten fliegen. Ein Ort, an dem ich Motivation, Inspiration und Energie wiederfinden kann. Auch, wenn ich jeden Tag irgendwie funktioniere… meine Energie ist auf dem untersten Level angekommen.
Ich fühle mich nicht mehr.
Und, wenn ich das aufschreibe, laufen zum ersten Mal die Tränen… der Knoten löst sich ein bisschen.
Nach Südafrika folgte ein „Orkan“ und seitdem habe ich den Boden unter den Füßen nicht mehr wiedergefunden. Also schnalle ich mir die Wanderschuhe an und begebe mich auf die Suche.
Luca war zum ersten Mal wirklich lange weg. Also… für meine Begriffe… lange weg. Er fehlt mir mehr, als ich mir eingestehen möchte. Ich habe noch nie so viel Geld gespart, wie in den letzten 2 Wochen. Mein Kühlschrank war wie leergefegt. Wie wenig man braucht, wenn man alleine ist… jetzt weiß ich, was meine Oma damit früher immer gemeint hat.
Ich bin also am Dienstag los. Erstmal bis München. Ich war zu spät dran um noch bis Österreich durchzufahren und es ist ja auch alles „mein erstes Mal alleine mit dem Auto“. Also gehe ich lieber kein Risiko ein.
Im „Gambino Hotel Werksviertel“ bin ich gelandet. 49 Euro die Nacht. Ein echtes Schnäppchen und richtig hübsches Hotel mit einem sehr unkomplizierten und sympathischen Konzept.
Und auch der Parkplatz hat mich nur 8,50 Euro gekostet. Für Münchener Verhältnisse absolute Traumpreise. Es tat gut in München anzukommen. Es tat gut das Auto zu bepacken und loszufahren. All das ist ja Bestandteil einer Reise. Diese klitzekleinen Momente der Aufregung.
Unterwegs war ich immer wieder sehr glücklich darüber das nun einfach tun zu können. Ins Auto setzen und losfahren. Und auch an Orte zu kommen, die ich sonst gar nicht oder nur sehr beschwerlich erreicht hätte.
Jedenfalls bin ich da gelandet, wo ich noch nie war. In Kühtai.
Auf der Suche nach Unterkünften wurde mir dieser Ort „ausgespuckt“ und irgendwie sprach mich das an. Es sah so aus, als wäre es genau das, was ich brauchen würde.
Ich glaube, man braucht keine 30 Sekunden um durch Kühtai durchzufahren. Dieser kleine Ort liegt auf 2020 Höhenmetern und ist wohl, vor allem, als Skigebiet beliebt. Wer hier im Sommer wandern geht, möchte das fernab von irgendwelchem „Massentourismus“ tun.
Es war ein bisschen aufregend hier hoch zu fahren. Manchmal wundere ich mich selbst über meinen Mut.
Und dann war ich da und es ging mir genauso, wie an unserem ersten Tag in Kapstadt… ich wusste nicht mehr warum ich eigentlich hier war… was zur Hölle will ich hier. Wie kann man so verrückt sein und in die Einsamkeit fahren, wenn man eh schon „alleine“ ist. Müsste ich nicht eigentlich unter Menschen? Ich war also kaum hier und wollte direkt schon wieder weg. Ein bisschen Panik machte sich breit.
In solchen Momenten merke ich, wie überschüttet ich bin. Ich schrieb es bereits weiter oben „ich fühle mich selbst nicht mehr“. Es ist so wichtig das wieder freizuschaufeln… freizulegen, denn nur dann kann man vernünftig weitergehen und voller Leidenschaft und Empathie sein. Das klappt nicht, wenn die Schleusen dicht sind.
Und ich möchte das so sehr… voller Leidenschaft fürs Leben sein. Emphatisch mit denen, die mir begegnen und mit denen, die meinem Leben einen Sinn geben. Ich möchte in die Berge gucken und weinen können vor Glück. Ich möchte all das fühlen. So richtig. Dafür bin ich da… um zu fühlen.
Es sind die letzten Sommerferien. Also die letzten Sommerferien, die geregelt sind durch Schule. Ab nächsten Sommer ist alles anders. Ich weiß noch nicht, was anders sein wird… aber das sich etwas verändern wird, liegt in der Natur der Sache. Ich habe nicht ein Fitzelchen Angst davor. Ich stelle es einfach nur fest.
Wir lassen uns ein bisschen durch den August treiben. Vielleicht zieht es uns schnell wieder nach Hause. Vielleicht verschlägt es uns aber auch noch hier und da und dorthin. Alles ist ein bisschen anders, als sonst. Deutlich planloser. Aber irgendwie ist das auch schön. Durch die Reise mit dem Auto sind wir deutlich unabhängiger und können Entscheidungen von Tag zu Tag treffen. Die Hunde sind dabei. Meine Arbeit ist dabei. Unserer Planlosigkeit steht also aktuell nichts im Weg.
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es ab Herbst anstrengend wird. Das muss gar nicht schlecht sein. Ich habe mir einen Job gesucht, der mir dabei hilft meine Existenzängste besser auszuhalten. Das Onlinestudium beansprucht mich. Das letzte Schuljahr meines Sohnes und viele Entscheidungen stehen an. Und dann wäre auch noch das hier… das dreiraumhaus… Workshops… Fotografie… das Business weiterentwickeln.
Es war gar nicht so leicht mir dieses Privileg der Planlosigkeit und Entscheidungsfreiheit zuzugestehen. Irgendwie ist man doch immer gefordert und das bin ich auch jetzt, wenn ich hier bin. Aber eben ein bisschen anders. Ich kann dabei auf die Berge gucken und höre die Kuhglocken. Alleine das reicht um sich meiner selbst wieder bewusst zu werden und Kraft für die kommenden Monate zu tanken.
All das ist immer begleitet von der „Pandemie-Unsicherheit“. Wir alle können noch nicht mal annähernd die Konsequenzen abschätzen. Der Effekt des Nachhalls kommt erst noch und auch wenn ich ganz sicher nicht zur Fraktion der Pessimisten gehöre… fühlt es sich so an, als wäre das erst der Anfang.
Als ich heute morgen meine Hunderunde mit Hugo & Bommel durch Kühtai gedreht habe, bin ich an vielen Baustellen vorbeigekommen.
Neue Hotels, neue Appartementhäuser. Und ich habe mich die ganze Zeit „warum“ gefragt. Reicht es nicht, was da ist? Wenn es ausgebucht ist… dann ist das eben so. Auf der anderen Seite möchte ich das nicht bewerten oder verurteilen, weil ich die Bestrebungen dahinter nicht kenne… nachdenklich stimmt es mich trotzdem.
Mit jedem einzelnen Wort, was ich hier schreibe, erde ich mich. Es fehlt mir, meine Gedanken aufzuschreiben. Aber ich war oft zu gehemmt in den vergangenen Monaten. Und ich kann nicht über meine Gedanken schreiben, wenn ich nicht ich selbst oder ganz bei mir bin. Ich möchte nicht angreifen, sondern mich nur selbst reflektieren. Und darüber zu schreiben ist therapeutisch wertvoll und ich kann wieder sehr viel klarer sehen.
Ich bin dem Internet so dankbar, was es mir ermöglicht hier eine Weile zu arbeiten und trotzdem später noch den Berg zu besteigen. Das ich arbeiten kann von fast jedem Ort der Welt. Das fühlt sich ein bisschen an, wie wahrer Segen.
Ob sich Kühtai lohnt?
Die Beantwortung dieser Frage würde ich mir gern noch ein bisschen für die nächste Koffergeschichte aufheben. Ich habe noch nicht allzu viel gesehen, war noch nicht wirklich wandern. Der erste Eindruck ist atemberaubend schön. Die Bilder im Internet waren keine leeren Versprechungen. Genauso einen Ort hatte ich gesucht.
Die Koffergeschichten sind also aus der Tiefe meines Blogarchives wieder ausgegraben und bekommen ein paar neue Folgen. Ist fast ein bisschen so, als würde ich ne neue Staffel drehen.
Wichtigste Aufgabe des Tages heute? Meinen Sohn vom Flughafen abholen.
Bis zum nächsten Teil…