Woche 5 in Kapstadt neigt sich schon fast dem Ende und somit brechen unsere letzten Tage in Südafrika an.
Ich bin tatsächlich ein bisschen aufgeregt wieder nach Hause zu fliegen. Alles ist bestens versorgt… Hugo und Bommel geht es mehr als nur hervorragend, aber ich habe ein bisschen vergessen wie Leipzig… wie Deutschland sich anfühlt. Es ist fast ein wenig erschreckend, wie schnell man etwas hinter sich lassen kann… liegt es daran, dass ich einfach am richtigen Ort bin?
Ich weiß es nicht…
Hab ich mich verändert? Haben 6 Wochen Südafrika mich verändert?
Mmmmhhh… mit Sicherheit nehmen diese 6 Wochen mentalen Einfluss, denn irgendwie nimmt ja alles irgendeinen Einfluss auf unser Leben und sei es eine kurze Begegnung an der Ampel, die richtungsweisend sein kann. Für mich persönlich bleibt nach wie vor diese eine Erkenntnis: „öffne dich Andrea“ und damit sind wir Deutschen ja bekanntlich nicht ganz so verschwenderisch.
Nach dem 3. Mal Südafrika und diesen besonderen 6 Wochen hier kann ich sagen… ja, ich könnte mir vorstellen hier zu leben. Ich glaube auch, ich bin hier um genau das herauszufinden. Ob es je dazu kommt?… Ich weiß es nicht, aber ich könnte es mir vorstellen.
Habe ich Angst nach meiner Rückkehr in ein Loch zu fallen? Offen gesagt… ja. Ich hatte gehofft, dass diese 6 Wochen in Kapstadt schön werden, aber ich habe nicht mal im Ansatz all das erwartet, was dann tatsächlich passiert ist. Das Verrückte ist… es geht allen so, mit denen ich hier meine Zeit verbringe. Jeder, der zurück „muss“ kämpft mit den eigenen Emotionen zu dieser sehr besonderen Reise hier. Gehen möchte einfach niemand so richtig und niemand kann erklären warum das so ist… und verstehen kann man es auch nur, wenn man sich darauf einlässt… liegt in der Natur der Sache.
Woche 5 in Kapstadt…
Woche 5 in Kapstadt war ein wenig geprägt von Abschieden. Luca hatte seinen letzten Schultag in der IH Cape Town, Juliana ging am Sonntag zurück nach Portugal und wir machten uns auf den Weg in das eine Stunde entfernte Kalk Bay.
Donnerstag veranstalteten wir ein Braai (südafrikanisches Grillen) auf unserer Airbnb Terrasse. Das fühlt sich irgendwie ein bisschen verrückt an. Wir sind erst so kurze Zeit hier und versammeln Freunde um den Tisch und haben einen wunderbaren Abend. In 43 Jahren meines Lebens habe ich das so jedenfalls noch nie erlebt… nicht auf einer Reise. Manchmal muss ich mich ein wenig kneifen.
Während Luca in der Schule war, habe ich mich in einen Co-Workingspace an der Waterfront eingebucht. Um genau zu sein im Workshop 17 Watershed an der Waterfront. Ich brauchte für meine Arbeit dringend schnelles Internet und eine Umgebung, in der ich effizient sein konnte. Auch hier ist es so, dass man mit jedem Tag mehr neue Leute kennenlernt. Jeder arbeitet zwar an seinem eigenen Business, aber es fühlt sich an, wie eine kleine Firma, in der man sich austauschen kann.
Erst habe ich mich gar nicht so richtig getraut, was natürlich vollkommener Blödsinn ist. Als ich dann aber erstmal da war und täglich meinen Rhythmus hatte, hätte ich am liebsten einfach ewig so weitergemacht.
Freitag war ich zum ersten Mal froh nicht verabredet zu sein. Ich nutzte die Zeit für einen Abendspaziergang an der Promenade in Seapoint und dieser Abschied fühlte sich verdammt schwer an.
Eigentlich wären wir schon seit Samstag in Kalk Bay gewesen, aber wir wollten gern mit allen zum Moonstruck Festival am Clifton 4th Beach gehen und buchten uns spontan ein Hotelzimmer in Camps Bay, weil wir unser Airbnb in Seapoint verlassen mussten.
Camps Bay liegt direkt am Clifton Beach… man konnte also zu Fuß zum Moonstruck Festival und wir waren uns unsicher, ob wir so spät am Abend noch ein Uber zurück nach Kalk Bay bekommen würden, also verschoben wir unsere Pläne um eine Nacht nach hinten.
Das Airbnb in Kalk Bay war seit über einem halben Jahr gebucht. Ich suche wirklich immer so lange bis es passt. Ich muss mich wohlfühlen können und es muss bezahlbar sein. Das Haus in Kalk Bay sah auf den Bildern traumhaft aus und war es auch in der Realität. Ein Haus mit ganz viel Historie und wirklich wunderschön.
Jeder hatte uns gesagt Kalk Bay sei eine sehr gute Wahl. Ein traumhaft kleiner Ort. Während wir uns immer weiter von Kapstadt entfernten, beschlich mich aber schon ein merkwürdiges Gefühl.
Als ich die Südafrika Reise plante, dachte ich, es wäre sinnvoll den Standort irgendwann zu wechseln. Aber kennt ihr das, wenn man feiern geht und eine gute Zeit hat und dann will irgendwer die Bar wechseln und am Ende kippt die ganze Stimmung? So ungefähr lässt sich das Gefühl beschreiben.
Aber… ich versuchte das zu ignorieren und mich auf Kalk Bay einzulassen. Und Kalk Bay ist auch wirklich traumhaft schön und ganz sicher einen Tagesausflug wert. Aber schon beim einkaufen wurden uns die Veränderungen ziemlich bewusst, denn es gibt nicht mal einen Supermarkt in dem kleinen Ort. Wir fuhren also mit Uber nach Fischhoek und Fischhoek ist nicht wirklich schön und dieses Bauchgrummeln wollte einfach nicht aufhören. Bevor ich zu Bett ging, beschloss ich aber die Zeit gut werden zu lassen, völlig egal wie die Rahmenbedingungen aussahen.
Und dann wachte ich in der Nacht auf, weil ich etwas im Gesicht hatte. Eine echt fette Kakerlake wanderte über meine Kopfkissen. Ich hatte schon in den Bewertungen gelesen das es solche Begegnungen in der Küche gab, hatte sie aber nicht in meinem Bett erwartet. Ich kann mit einer Menge leben, aber da war einfach meine persönliche Grenze erreicht. 04 Uhr morgens saß ich auf dem Sessel im Wohnzimmer, schrieb die Eigentümer an und suchte verzweifelt nach einer neuen Unterkunft in Seapoint… dazu muss man wissen… aktuell ist hier Hochsaison.
Zu unserem großen Glück konnten wir das Airbnb in Kalk Bay verlassen und bekamen unser Geld zurück. 6 Stunden nach meinem Kakerlaken Date saßen wir im Uber zurück nach Kapstadt und waren dieser Kakerlake unendlich dankbar.
Everything happens for a reason.
Mindestens einmal pro Tag sage ich das hier. Ohne diese nächtliche Begegnung wären wir in Kalk Bay geblieben, weil doppelt für Unterkünfte bezahlen ist einfach unmöglich.
Es fühlte sich einfach so verdammt gut an, als wir über die Autobahn ins Zentrum fuhren… wie nach Hause kommen.
Rückblickend war alles genau richtig so. Wenn man verreist, stellt man sich ja immer wieder mal die Frage, ob man vielleicht was verpasst und noch dies, das und jenes sehen muss. Für uns reicht Kapstadt und die Umgebung drumherum. Mehr muss es überhaupt nicht sein und alleine das festzustellen, macht einfach zufrieden. In Leipzig bin ich ja auch die meiste Zeit Zuhause und wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, unternehme ich etwas und das ist hier nicht anders. Dafür muss ich nicht von Brücken springen oder mit Haien tauchen… es reicht hier zu sein.
Wenn man von Kapstadt aus Weingüter besuchen möchte, muss man gar nicht unbedingt bis Stellenbosch fahren, auch wenn das wirklich absolut empfehlenswert ist. Viel schneller erreicht man aber die Weingüter in und um Constantia herum.
Ich habe ewig nicht mehr so viel Wein getrunken, wie in den vergangenen Wochen, also für meine Verhältnisse… weil ich Alkohol – mittlerweile – nur äußerst selten konsumiere. Aber diese Weingüter haben es mir wirklich angetan und ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Diese Konzepte sind überragend und jedes ist anders und ich könnte überhaupt nicht sagen, welches Weingut mir am besten gefällt und ich habe bisher sicher nur 10 % gesehen.
Weintour klingt ja erstmal irgendwie alt und angestaubt, aber das ist es null. Es ist innovativ, nachhaltig, informativ und kulinarisch jedes mal ein Knaller.
Weingüter in Kapstadt zu besuchen ist wie Urlaub vom Urlaub.
Dienstag machten Luca und ich auf den Weg ins Buitenverwachting in Constantia und zur Steenberg Farm. Über die Steenberg Farm sind wir per absoluten Zufall gestolpert, denn dieses Weingut ist in keiner Empfehlung aufgetaucht und ich hatte davon auch noch nie gehört. Ich war auf der Suche nach einem Restaurant rund um Kirstenbosch und dabei erschien Steenberg in der google Suche.
Steenberg und Buitenverwachting kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen… man muss beide gesehen haben und in beiden ein Winetasting machen und essen.
Nach unserer Weintour fuhren wir übrigens entlang der Promenade in Seapoint und ich sah aus dem Uber heraus Fontänen im Wasser. Die Wale sind wieder da. Ich bat den Fahrer anzuhalten und wir liefen das letzte Stück zum Apartment. Es ist fast ein bisschen kitschig. Die Sonne ging unter, auf dem Wasser war der lange Lichtstrahl zu sehen und darin tummelten sich Wale und Delfine. Das ist wirklich sehr besonders, weil keine Zeit für Wale ist… wer Wale sehen möchte, kommt eigentlich im Herbst nach Südafrika.
Luca hat mich übrigens auf die Videos von 2 jungen Männern aufmerksam gemacht (ich bin ja nicht so der YouTube Junkie) und die sind richtig richtig gut und geben einen perfekten, knackigen Einblick über das, was euch zum Beispiel in den Winelands erwartet und wenn nicht spätestens danach Südafrika auf der Wunschreiseliste steht… dann weiß ich es aber auch nicht. Unbedingt reingucken, macht wirklich großen Spaß den beiden zuzusehen.
Wir sind jedenfalls rundum happy wieder an diesem Platz, hier in Seapoint, zu sein.
Gestern waren wir auf dem Oranjezicht Farmers Market an der Waterfront zum Abendessen und am Ende waren einfach alle da. Um 17 Uhr saßen wir noch zu dritt am Tisch und um 20:00 Uhr waren es 10… als wäre es das normalste der Welt, dass man sich zum Abendessen auf dem Farmers Market trifft und noch ein paar Eier fürs Frühstück mit nach Hause nimmt. Aber es ist eben nicht das normalste der Welt, weil wir in Kapstadt sind und nicht Zuhause in Leipzig und trotzdem fühlt es sich ganz normal an. Ich bin wirklich froh darüber schreiben zu können, sonst würde mich mein emotionales Chaos in Kopf und Herz ganz verrückt machen.
Manchmal gehe ich durch Seapoint und treffe hier und da und dort Menschen, die ich in den vergangenen Wochen kennengelernt habe… man quasselt ein bisschen und geht seines Weges. Es ist wirklich verrückt, wenn ich bedenke, dass ich vor 5 Wochen hier einfach niemanden kannte… das wir!!! niemanden kannten und uns einfach in dieses Abenteuer gestürzt haben.
Heute Mittag treffe ich Maren von unserer Sprachschule in Kapstadt für einen Podcast und am Nachmittag fahre ich mit um mir die Arbeit als Freiwillige mit Kindern anzusehen… also, wie so sein Volontariat funktioniert. Ich bin sehr glücklich auch hier reinschnuppern zu dürfen. Das Bild zu Kapstadt wird langsam rund.
Und mit heute bricht auch unsere letzte Woche an. Ich habe endlich Tickets für Robben Island besorgt, wir machen doch noch eine kleine Safari Tour mit Oswald und Bea kommt endlich aus der Schweiz angeflattert. Wir überschneiden uns zwar nur für 2 Tage, aber das ist egal und 1000 mal besser als gar nichts. Gemeinsam mit ihr verabschieden wir uns von Südafrika und gemeinsam mit ihr begrüßen wir Südafrika auf einer Tour Richtung Kap der guten Hoffnung.
Ich würde sehr gern sagen, dass ich mich auf Deutschland freue und vermutlich ist das sogar so. Der Punkt ist… ich bin einfach noch nicht fertig hier. Im Traum hätte ich nicht daran gedacht, dass in meiner Brust irgendwann mal 2 Herzen schlagen und es ist gar nicht so einfach damit einen Umgang zu finden. Ich hatte sogar ein bisschen gehofft, dass ich nach 6 Wochen Südafrika „geheilt“ bin… also die Nase voll hab und einen Haken dran machen kann… Ich würde behaupten das war wohl nix.
Morgen Abend ist wieder die „Welcome-Party“ für Studenten der IH Cape Town. Vor 4 Wochen waren wir auch schon da und haben uns echt noch richtig fehl am Platz gefühlt. 4 Wochen später gehen wir hin, als wäre es nie anders gewesen und als wäre es Teil unseres Lebens.
Vermutlich schließe ich diese Reihe der Koffergeschichten zu Südafrika mit Teil 8 ab. Danach folgen unsere persönlichen Tipps. Langsam fühle ich mich in der Lage dazu auch wirklich Tipps für eine Reise nach Südafrika geben zu können. Die Koffergeschichten sind eher eine Art Tagebuch dieser sehr besonderen Reiseerfahrung.
Ich freu mich auf ein nächstes Mal mit euch.
Hallo Andrea!
Wieder mal ein toller Artikel, der mir aus der Seele spricht. Vor allem der Satz, „Gehen möchte einfach niemand so richtig und niemand kann erklären, warum das so ist.“ Denn das kann ich mir auch nach wie vor selber nicht erklären.
Auch die Fotos sind wie immer ganz wunderbar. Ich hoffe, mir mal einen Fotokurs bei dir gönnen zu können!
Liebe Grüße, Iris
„Ich bin nicht fertig geworden“…. das trifft es haargenau. So geht es uns auch. Wir haben so viel gemacht und gesehen, aber wir sind auch nicht fertig geworden. Einer von vielen Gründen wieder zu kommen. So richtig in Deutschland angekommen sind wir irgendwie noch nicht. Der Körper ist zwar hier, aber der Kopf noch nicht….es war schön, euch kennenzulernen. Genießt die letzte Woche maximal. Liebe Grüße ins faszinierende Südafrika
Danke Andrea für all die tollen Stories und Fotos: Du hast mich so sehr inspiriert, dass ich in Ostern auch hinfliege. Einfach so, solo… Kapstadt sehen und erleben (übrigens die Flugtickets sind momentan sooo preiswert!
Die Fotos sind ja mal der Hammer und spiegeln soviele Emotionen wieder. Ich kenne auch immer diese Sitautionen, wo man durch kleine Gassen geht und so viele kleine schöne Lokalitäten entdeck, die nirgendswo standen. Man hört und sieht wie das zweite Herz pocht bei Dir, und ich wünsche mir, dass auch das zweite Herz weiterhin in Deutschland pochen wird