Seit Monaten schlage ich mich mit diversen, anstehenden Entscheidungen herum. Entscheidungen, die es erfordern auf einen ungünstigen Umstand hinzuweisen.
Im Klartext bedeutet das… ich zahle für Dienstleistungen, die nicht zufriedenstellend umgesetzt werden.
Ich habe Wochen gebraucht um meinen Mund aufzumachen. Immer wieder habe ich in Verträge und Mails geguckt, ob die Verständnisfehler vielleicht bei mir liegen oder ich nicht richtig zugearbeitet habe. Probleme in der Zusammenarbeit sind ja meistens in einer fehlerhaften oder unzureichenden Kommunikation begründet.
Ich zahle also für eine Dienstleistung und fühle mich ganz schlecht, wenn ich einen vorliegenden Mangel dann irgendwann benenne. Ihr kennt das sicher… man sitzt im Restaurant, bekommt richtig schlechtes Essen… und wie oft habt ihr nix gesagt? Weil unangenehm oder man hat Angst der Koch spuckt in die Suppe…
Und natürlich möchte man auch nicht der Spielverderber sein.. die Motzprimel am Tisch, die immer was auszusetzen hat…
Zurück zu dem oben benannten Fall. Ich habe im vergangenen Jahr mehrfach auf die Thematik „Helikoptergeld“ hingewiesen. Ein – nach wie vor – riesengroßes Thema für mich oder besser gesagt… es wird von Tag zu Tag größer. Finanzielle Absicherung und wie ich in meiner Selbstständigkeit besser planen kann, wie ich meine Ängste in den Griff bekomme, nimmt immer mehr Raum ein. Dazu zählt eben auch sich mit „Fehlinvestitionen“ auseinanderzusetzen.
Ich befinde mich also gerade im Trennungsmodus. Im Übrigen ist das ebenfalls eine Form des Loslassen. Denn natürlich erscheint einem am Anfang meist jede Investition irgendwie sinnvoll und manchmal kann man erst später absehen, ob sie das auch wirklich war und wenn nicht… darf man sich verabschieden. Denn Fehlinvestitionen fressen Zeit, Geld und Energie.
Im Grunde passt das Wort Fehlinvestition nicht ganz, denn es ist negativ behaftet. So ist es aber gar nicht gemeint. Manchmal geht ein langer Lernprozess damit einher und man ist in der Lage sehr genau abzuleiten, was man will oder eben auch nicht. Das bedeutet aber nicht, dass die Entscheidung, die man für sich selbst trifft auch im Umfeld Anklang findet. Die Reaktionen können sehr unterschiedlich ausfallen und vielleicht macht es das so schwer, wirklich Stellung zu beziehen.
Mit meinen Aufgaben bin ich gewachsen. Das bedeutet auch, sich mehr Bewusstsein über den eigenen Wert zu verschaffen und klar zu kommunizieren. Männer können das übrigens sehr gut. Sie fordern ein, was sie meinen, was ihnen zusteht und als Frau steht man dann da und möchte eigentlich eine Lexikon voller emotionaler Vorwürfe loslassen.
Mein Sparring-Partner im Bereich der Kommunikation ist mein 15jähriger Sohn. Bereits jetzt lässt sich bei ihm ganz wunderbar ableiten, wie Männer funktionieren. Erstaunlicherweise fällt es mir deutlich leichter das von ihm anzunehmen, als in früheren Diskussionen mit meinem Ex-Mann.
Im Grunde kann ich 95% der Emotionen aus einer Diskussion mit meinem Sohn rauslassen. Während er sich auf den Kern meines Ärgers konzentriert, hole ich ganz weit aus und merke dann meist selbst, wie bescheuert das ist… weil es der Lösung des Problems überhaupt nicht hilft. Und dabei bin ich prinzipiell niemand, der lange um den heißen Brei redet… aber unterm Strich bin ich eben auch Frau und rede gerne viel.
In meiner Brust schlagen also 2 Herzen. Auf der einen Seite bin ich extrovertiert, direkt und laut und auf der anderen Seite scheue ich Konflikte. Und, wenn man mal ganz ehrlich zu sich selbst ist, dann scheut man Konflikte, weil man sich dann meist auch mit sich auseinandersetzen muss. Denn in der Regel folgt ja ein Echo und das muss man auch erstmal aushalten können und wollen. Konflikt bedeutet eben Konflikt und dazu gehören mindestens schon mal 2 Personen… sieht man mal vom Konflikt mit sich selbst ab.
Ich bin davon überzeugt, dass wir Frauen uns mit viel mehr mentalem Bullshit rumschlagen, als es auch nur ansatzweise notwendig wäre. Viel zu oft lassen wir alles viel zu nah an uns ran, bewerten es, vergleichen uns und was noch schlimmer ist… Instagram wird als emotionale Währung benutzt. Das muss echt aufhören.
Es ist ein unglaublich befreiendes Gefühl, wenn man das abschütteln kann. Dazu ist es aber notwendig mutig zu sein. Nicht nur mutig in Form von unangenehmen Entscheidungen. Es bedeutet auch mutig zu sein, wenn man Menschen, die es einem schwer machen, „umarmt“. Vielleicht nicht immer in körperlicher Form, aber in Gedanken. Oder man spricht es aus.
Unser Leben ist ein Akt der Balance.
Eine meiner Freundinnen steckte seit fast 2 Jahren in einem Kreislauf, der sie nervte, aber jedes Mal, wenn wir uns sahen, war die Situation unverändert. Ich glaube, alles hat seine Zeit und sie hat diesen Kreislauf mit radikalen Änderungen durchbrochen und kann sich nun auf das Wesentliche konzentrieren. Tun kann man das nur für und mit sich alleine. Im besten Fall wacht man auf, trifft eine Entscheidung und setzt sie um.
Im letzten Podcast stellte sich Lina Mallon die Frage „War ich wirklich ehrlich zu mir selbst“…
Anstatt 2019 komplett auseinanderzunehmen und zu reflektieren hat sie sich einfach diese Frage gestellt. So simpel und doch so tiefgründig. Denn ehrlich zu sich selbst zu sein, kann ein durchaus schmerzhaften Prozess beinhalten. Übrigens einer der Gründe, warum so viele Menschen gern einfach auf andere schauen, als auf sich selbst… ein unverklärter Blick auf das eigene Selbst braucht ebenfalls sehr viel Mut, aber es ist ein absolut unausweichlicher Schritt um Veränderungsprozesse wirklich anstoßen zu können.
Ich bin Stück für Stück dabei diese Veränderungsprozesse anzustoßen. Nichts davon passiert von heute auf morgen. Viele Rädchen greifen ineinander und oft wird erst im Nachgang bewusst, was eigentlich zu einer Entscheidung oder einer Veränderung geführt hat und das es fast nie ad hoc Entscheidungen sind, sondern meist sind sie im Unterbewusstsein lang gereift. Nehmen wir einfach mal das Beispiel meines Führerscheins. Die Entscheidung dazu habe ich an einem Oktobersonntag getroffen… das Feuer loderte schon länger… es fehlte nur der letzte Funken. Wenn ich jetzt Auto fahre, fühlt es sich an, als wäre das schon immer so gewesen…
2020 werde ich mich noch mehr darauf konzentrieren zu verstehen, wie unsere Welt funktioniert, wie wir Menschen funktionieren. Ich kann mich nicht völlig freisprechen von negativen Gedanken oder negativen Gefühlen, aber es ist so viel besser geworden und es fühlt sich auch einfach sehr befreiend an, wenn man diese Energieräuber loslassen kann. Daran möchte ich wirklich gern noch intensiver arbeiten, was eben auch Arbeit mit mir selbst bedeutet.
Manchmal hätte ich gern mehr Klarheit über das, was mich in der Zukunft erwartet. Sie macht mir manchmal ziemlich große Angst. Auf der einen Seite ist es ein sehr befreiter und selbstbestimmter Zustand ein Leben ohne Partner zu führen, andererseits fühlt es sich auch manchmal an, wie ein großes, schwarzes Loch… nicht aus emotionalen Gründen, sondern weil Verantwortung nicht geteilt werden kann. Es fehlt das Backup. Mein Lieblingswort in diesem Zusammenhang.
Aber, wie kann ich mit dieser Angst umgehen, wenn ich doch gar nicht auf Partnersuche bin? Sich auf jemanden einzulassen um den eigenen Ängsten zu begegnen, ist sicher lösungsorientiert, nur löst es das Problem nicht an der eigentlichen Wurzel. Richtiger wäre es doch dafür zu sorgen, dass ich als Frau existieren kann in Unabhängigkeit von einer Partnerschaft. Was also kann ich tun um nicht in finanzielle und materielle Abhängigkeit zu geraten. Ich glaube, wir Frauen stehen hier immer noch ganz am Anfang.
Eine Freundin fragte mich, warum ich nicht schon viel eher den Führerschein gemacht hätte. Gründe gibt es dafür viele, aber einer war sicherlich, dass ich mich darauf ausruhte das mein Mann einen hatte und ich stellte für mich nie in Frage, dass es jemals anders sein würde… bis es zur Trennung kam.
Viele Frauen haben noch nicht mal ein eigenes Konto. Und trotz eigener Gehälter rechtfertigen sie sich für jede Serviette oder Duftkerze, die sie kaufen. Viele Frauen halten ihren Männern den Rücken beruflich frei und vergessen dabei völlig ein eigenständiges Individuum zu sein… fernab von Haushalt und Erziehung (und das allein nimmt schon sehr viel Zeit in Anspruch).
Vermutlich erklärt all das den aktuellen Erfolg von Mindset-Themen oder Geldratgebern von Frauen für Frauen. Wichtigste Erkenntnis dabei… man ist einfach nie zu alt um neu anzufangen oder überhaupt anzufangen. Finanzielle Unabhängigkeit ist dabei einer der wichtigsten Faktoren.
Es ist völlig egal, ob man klein oder groß anfängt… wichtig ist… anfangen! Nicht 1000 mal herumlamentieren, nicht alle Faktoren wieder und wieder abwägen… anfangen!
Hin und wieder erreichen mich „unterschwellige Vorwürfe“ dazu, dass ich nun Auto fahre. Weil ich lange darüber geschrieben habe, wie ich mein Leben ohne Auto gestalte und das mir das sehr gut gelungen ist. Ich habe dann eine Weile gedacht für diese Sichtweisen Verständnis haben zu müssen. Aber es ist ganz einfach so, dass ich mittlerweile seit 4 Jahren „alleine“ lebe und mir erst nach und nach bewusst wurde, in welcher Abhängigkeit ich mich eigentlich befinde. Und wie großartig ist es denn, wenn man das für sich erkennt und es ändert (anstatt es nicht zu tun). Wenn man in der Lage ist zu sagen… hey, vorher war es definitiv gut, aber jetzt ist es noch so viel besser. Ist das nicht der erstrebenswerte Zustand?
Aus dreiraumhaus wurde ein dreiraumsaus und am allerwenigsten hätte ich selbst das erwartet. Ich war glücklich in der Straßenbahn… ich bin noch glücklicher, wenn ich hinter dem Steuer sitzen darf. Vielleicht, weil es mir auch so bewusst macht, dass ich mir meine Wege selbst ebne… das ich mitgestalten darf… Ich WILL! der Steuermann sein… zumindest, wenn es um mein eigenes Leben geht.
Dieses Bewusstsein verleiht mir Stärke, die in meinem Alltag manchmal so nötig ist. Die in jedem Alltag von euch ebenfalls so nötig ist.
Ich habe jedenfalls große Lust mein Leben weiter umzukrempeln, weil mir gefällt, was ich da am – weit entfernten – Horizont sehen kann. Darauf arbeite ich hin. Einer meiner wichtigsten Begleiter 2020 soll „Konsumruhe“ sein. Konsumruhe ist aus der kreativen Ader von Frl. Ordnung entstanden. Trotz regelmäßiger Ausmistungen und Aufräumaktionen fühle ich mich – materiell – immer noch vollgestopft. Die Innenstädte und das Überangebot langweilt mich… Übersättigung begleitet mich fast tagtäglich.
Konsumruhe steht für mich übrigens nicht für ein komplettes „Nein“ zum Thema Konsum… Es soll nur eben ganz viel Ruhe einkehren. Noch überlegter sein. Noch weniger kaufen. Ich halte nichts von strikten Vorgaben, weil sie fast nie einzuhalten sind. Einfach alles braucht eine gewisse Balance… nur dann fühlt es sich wirklich gut und auch sinnvoll an. Es ist wichtig sich der eigenen Fehlbarkeit bewusst zu sein und sie anzunehmen. Wir sind Menschen, keine Maschinen!
Abschließen möchte ich meine Sonntagskolumne mit einem Zitat von Meghan Markle, was ich gestern zufällig auf Instagram entdeckt habe:
MY NEW YEAR’S RESOLUTION IS TO LEAVE ROOM FOR MAGIC. TO MAKE MY PLANS, AND BE OKAY IF THEY SOMETIMES BREAK. TO SET MY GOALS, BUT TO BE OPEN TO CHANGE.
Im Grunde habe ich sehr viel mehr Worte gebraucht um eigentlich genau das aussagen zu wollen… aber ich bin eben auch nicht Meghan Markle…
Habt einen schönen Sonntag.
Guten Morgen Andrea,
sehr gut geschrieben und passt gerade gut ?
Vielen Dank für diese Worte.
Einen schönen Sonntag, hoffe ihr habt besseres Wetter als wir hier im Oberbergischen….
VG Michaela
Dankeschön!
Von mir auch einfach nur ein danke für immer klare Worte und alles liebe für 2020!
So gut auf den Punkt gebracht! Mir wäre es lieber erst jetzt mit etwas anzufangen, was ich die ganze Zeit vor mir hergeschoben habe statt irgendwann zu sagen, ja ich hätte….
Sehr reflektiert und cool. Danke!
Hi,
im Grunde sehe ich das genauso. Und ich liebe es einfach wie reflektiert und selbststeuernd (gibt es dieses Wort etwa nicht, oder wieso wird es rot unterstrichen?) Dein Leben angehst, ich wünsche mir diesen Mut und dieses Reflektierte auch so sehr wieder, ich habe es aufgegeben, als ich zurück zu meinen Eltern gezogen bin. Und nun finde ich die Kraft und den Mut nicht mehr, wieder selbstbestimmt mein Leben zu finden. Und wieder auszuziehen. Was ist, wenn man emotional abhängig ist? Löse ich das auch auf, indem ich wieder Entscheidungen treffe? Entscheidungen, wie ich mein Leben gestalte? Wie du z. B. als Du deinen Führerschein angegangen bist? Oder in dem ich ausziehe? Und wenn dann da ein Loch ist? Dann muss ich es wohl füllen? Vielleicht habe ich davor Angst. Ich ertappe mich sogar dabei, dass ich Angst vor Abhängigkeiten mit meinen Freunden habe. Wie traurig ist das denn? Brauchen wir nicht alle einmal jemand von Außen, der uns in den Arm nimmt? Oder sollen wir nur Kraft aus uns alleine schöpfen? UM nicht in Abhängigkeiten zu geraten????
LG Nicole
PS. Deine Konsumruhe finde ich super, ich miste gefühlt seit Monaten aus und es nimmt kein Ende. Dann habe ich mir „verboten“ neue Dinge zu kaufen, was auch sehr traurig war. Jetzt kaufe ich ein, und brauche aber nicht mehr so viel. Und ständig, wie früher. Daher finde ich das mit der Konsumruhe echt sehr gute Idee…
Autor
Liebe Nicole, danke für Deine langes Feedback und Deine Offenheit zu diesem Thema. Ich glaube einen der wichtigsten Schritte gehst Du bereits… Du bist Dir dessen bewusst und insofern schon sehr viel weiter, als viele andere. Sich persönliche Ängste einzugestehen ist nämlich schon mal ein riesen Ding. Und mir müssen uns davon frei machen, dass wir alle gleich funktionieren. Der eine ist schnell und der andere eben deutlich langsamer.
Und – um Gottes Willen – natürlich soll niemand nur aus sich selbst schöpfen. Meine Inspirationsquelle sind Menschen und ich finde das ganz großartig. Fakt ist aber auch, dass es erst an der eigenen Basis stimmen muss damit es mit dem Rest was werden kann. Emotionale Abhängigkeit ist ein ganz schwieriges Thema, denn es umschließt das Wort Abhängigkeit und das ist ja irgendwie nie gut. Jede Abhängigkeit beinhaltet ja irgendeinen Zwang, dem man sich aber eigentlich entziehen möchte.
Fühl Dich gedrückt. LG Andrea