Der rote Stuhl…

Meine Sonntagskolumne für Frauen ist online. Kann man das Ende einer Partnerschaft wirklich überstehen und loslassen und was bedeutet die neue Unabhängkeit?

Ich bin immer noch verheiratet. Letzte Woche hatte ich Hochzeitstag. Den 17. Ich hab ihn vergessen. Den davor auch und den davor.

Eigentlich hatte ich vor, mir das Datum diesmal zu merken, aber dann war es wieder komplett aus dem Kopf raus. Genauso, wie all das, was bis vor 4 Jahren noch existierte, fast vollkommen verblasst ist… so als wäre das ein völlig anderes Leben gewesen… Es fühlt sich nicht mal mehr so an, als hätte ich jemals mittendrin gesteckt.


Könnt Ihr euch noch an meine Wochenrückblicke erinnern?


Diese Wochenrückblicke waren wirklich notwendig… für mich selbst. Manchmal wusste ich gar nicht wohin mit mir, mit all den Gedanken, dem Schmerz, der Trauer, den Sorgen. Es hat geholfen Woche für Woche darüber zu schreiben und wenn es zum 100. Mal war. Ich habe sie ganz bewusst nicht gelöscht, weil sie ein Teil dieser emotionalen Achterbahnfahrt waren.

Ich schlief lange Zeit mit den Gedanken an meinen Mann ein und ich wachte mit diesen Gedanken wieder auf. Er war der letzte Mensch, an den ich dachte, wenn ich schlafen ging und er war der erste Mensch, an den ich dachte, wenn ich die Augen wieder aufschlug. Das muss man sich mal vorstellen, gepaart mit dem Wissen, dass er nun mit einer anderen Frau im Bett liegt. Manchmal weiß ich gar nicht, wie es eigentlich geschafft habe, weiterzumachen.


Woran ich gemerkt habe, dass ich auf dem Weg der Heilung war?


Ich erschrak manchmal richtig, wenn ich feststellte, dass ich mehrere Tage nicht an ihn gedacht hatte. Die Abstände wurden immer größer und irgendwann war er weg dieser Schmerz in seiner ganz ursprünglichen Form… er war weg und kam auch nicht mehr wieder.

Immer wieder erreichen mich Mails von Leserinnen, die quasi am Anfang stehen, die gerade mit all ihren Emotionen in dieses tiefe, tiefe Loch stürzen und der Weg hinaus ist ziemlich holprig und manchmal ist er sogar einfach weg. Es geht nicht vor, zurück, nach links, nach rechts.

Es ist so… man nimmt die eigene Gefühlssituation nicht immer mit vollkommen klaren Kopf wahr. Es gab Momente, in denen war ich aufrichtig davon überzeugt alles hinter mir gelassen zu haben und dann riss mir die kleinste Situation wieder den Boden unter den Füßen weg. Es ist eben erst vorbei, wenn es wirklich vorbei ist und das lässt sich nicht steuern…

Wenn ich heute auf meinen Mann treffe, was äußerst selten passiert, fühlt sich das ziemlich normal an. Wie ein Teil, was sich eben nicht abschütteln lässt, weil wir auf immer und ewig durch unseren Sohn verbunden sind. Es ist deutlich einfacher, wenn Gefühle weg sind. Ich kann mich sehr viel schneller aus Situationen herausziehen oder strebe erst gar keine unnötige Diskussion an. Ich habe jegliche Lust an irgendeiner Tiefgründigkeit verloren.


Was sich aber steuern lässt, ist das eigene Leben. Ich habe die Zeit der Trauer gebraucht, aber ich wollte nicht daran zugrundegehen.


Es war irgendwann sehr befreiend, sich nicht mehr verantwortlich fühlen zu müssen.

Im Grunde war ich, wie so ein Freigeist, der anfing sich weiterzuentwickeln und der unüberwindbare Graben zwischen uns wurde immer größer. Es entwickelten sich Lebensansichten, die nicht mehr zueinander passten. Würden wir uns erst jetzt kennenlernen, würde aus uns niemals ein Paar werden.

Wenn mich jemand fragen würde, was mein Anspruch an einen Mann wäre… dann sähe meine Wunschvorstellung folgendermaßen aus:


Ich möchte einen Mann, mit dem ich stundenlang herumphilosophieren kann, der sich voller Leidenschaft mit mir freut und richtig guter Humor ist faktisch der Türöffner. Ich lache so unfassbar gern und ich bin gern lustig… all das war am Ende meiner Ehe komplett verschüttet. Ich war nicht mal mehr annähernd ich selbst.


Und das ist mein allergrößtes Geschenk im Gesamtkontext meiner gescheiterten Ehe…


Ich weiß wieder wer ich bin…


und ich weiß wer ich sein will und welchen Fußabdruck ich hinterlassen möchte.

Es ist absolut erstaunlich, wie sehr sich die meisten von uns innerhalb einer Partnerschaft fast sogar ein wenig aufgeben… auch, wenn man das in der eigentlichen Situation gar nicht so sehr realisiert. Man steckt eben mittendrin, macht einfach, nimmt Rücksicht.

Ich persönlich empfinde mich als Paradebeispiel dafür. Natürlich hatte ich meinen eigenen Kopf und fühlte mich unabhängig, aber rückblickend war ich das nicht wirklich.


Meine Sonntagskolumne für Frauen ist online. Kann man das Ende einer Partnerschaft wirklich überstehen und loslassen und was bedeutet die neue Unabhängkeit?


Dazu gibt es eine sehr interessante, kleine Geschichte… der rote Stuhl und das Ende einer Partnerschaft…


Anfang 2018 wollte mein Mann nochmal zu uns zurückkehren. Wir probierten uns miteinander aus und gingen irgendeinen Samstag in die Stadt um einen 4. Stuhl für die Küche zu kaufen. Obwohl ihn meine Wohnungseinrichtung richtig begeistert, standen wir in diesem Laden und konnten uns nicht auf eine gemeinsame Stuhlfarbe einigen.

Es fühlte sich an, wie früher. Als ob er – vielleicht unbewusst – einfach immer eine andere Meinung haben musste. Das war zeitweise sehr anstrengend.

Wir waren nicht mal annähernd auf einer Linie unterwegs. Ich interessierte mich für Stühle in gedeckten Farben, schwarz oder Blautönen und er für rot, orange, gelb… alles Farben, die ich überhaupt nicht mag, schon gar nicht bei der Wohnungseinrichtung.

Am Ende bestellten wir einen roten Stuhl und ich redete mir ein diese Entscheidung ganz bewusst mit getroffen zu haben…

Irgendwie ist das ziemlich verrückt. Ich war bereits seit 3 Jahren irgendwie Single, alleinerziehend, führte meinen eigenen Haushalt und traf alle Entscheidungen ohne jemanden fragen zu müssen. Aber kaum war er zurück, verfiel ich in rasender Geschwindigkeit in alte Muster und ich kann gar nicht so richtig sagen warum.

Mal abgesehen davon, dass er weiß, dass ich Rottöne nicht wirklich mag… passt in meine Wohnung einfach auch gar nichts in dieser Farbe. Das komplette Farbschema geht in eine völlig andere Richtung. Der Stuhl wäre völlig fehlplatziert gewesen.

Letztendlich war dieser Stuhl für mich schon fast symbolisch. Er ist es immer noch. Ich saß Zuhause und fragte mich, warum mein Partner einfach gegen alles arbeitet, was mir selbst wichtig ist und warum ich es zulasse. Warum alles immer in einem Kraftakt enden muss… selbst bei einer so simplen Entscheidung.

Ich stornierte die Bestellung des roten Stuhls und warf meinen Mann kurze Zeit später wortwörtlich raus.

Im Grunde war das, dass emotionale Ende unserer Ehe. Bis zu diesem Punkt habe ich die Zeit gebraucht. Wir hatten uns zwar schon 3 Jahre vorher voneinander getrennt, aber es hat noch lange gedauert, bis wir wirklich voneinander loslassen konnten. Das gilt für beide.

Die weibliche Unabhängigkeit ist noch lange nicht da, wo sie sein sollte. Einen großen Zeitraum unseres Lebens zerteilen wir uns zwischen Partnerschaft und Kindererziehung, vielleicht versuchen wir uns parallel beruflich zu entwickeln. Die ersten großen, persönlichen Krisen stehen ins Haus, wenn die Kinder flügge werden. Wenn man sich am Ende des Tages nur noch auf die Partnerschaft konzentrieren kann, sofern noch etwas davon übrig geblieben ist.

Vergangene Woche hab ich den Film über Ottilie Faber-Castell gesehen. Erst lief der Film nur so nebenbei und kurz später war ich wirklich gefesselt. Eine bewegende Geschichte über eine sehr mutige Frau Ende des 19. Jahrhunderts. Mittlerweile haben wir 2019 und viele der Situationen finden sich auch heute noch wieder.

3 Jahre hat es jedenfalls gebraucht um mich zu lösen und ein weiteres Jahr für die persönliche Standfestigkeit. Ob es mich davor schützt, mich nochmal zu „verbiegen“ für einen Partner… ich weiß es nicht. Im Augenblick würde ich das entschieden verneinen, aber ich glaube auch, dass wir manchmal Marionetten unserer eigenen Gefühle sind und sich das nur bedingt steuern lässt.

Was ich aber sagen kann ist… das es wirklich vorbeigeht. Das man das Ende einer langjährigen Partnerschaft ziemlich gut überstehen kann. Jeder noch so kleine Schritt ist ein Befreiungsschlag. Das ist auch etwas, was ich immer wieder in meinem privaten Umfeld beobachte. Viele Frauen, die es schaffen sich zu lösen – was nicht unbedingt das Ende einer Partnerschaft bedeuten muss – bekommen förmlich Flügel… sie blühen richtig auf und gehen nach vorn. Am Ende spricht es für die Qualität und auch die fortwährende Arbeit an einer Partnerschaft, wenn sie diese Veränderung aushält.


Einen Teil meines Weges alleine zu gehen, war für mich die bisher lehrreichste Zeit, was meine eigene Persönlichkeit angeht. Ich hatte nochmal die Möglichkeit mich selbst kennenzulernen und dabei meine schlechten Eigenschaften zu realisieren, zu akzeptieren, daran zu arbeiten… aber eben auch die guten Eigenschaften an mir lieben zu lernen und dafür einzustehen… sie zu bewahren, weil sie mir gut tun.


Ich hätte nie erwartet, dass mir Unabhängigkeit mal so wichtig sein könnte, weil ich mich immer in einem Zweiergespann gesehen habe. Vielleicht gibt es auch Frauen, die innerhalb einer Partnerschaft völlig unabhängig sind, nur ist das die Ausnahme. Denn das bedeutet einen immer fortwährenden Kampf und das ist innerhalb einer Familie nicht immer einfach und als Frau wird man – in diesem Fall – oft als egoistisch abgestempelt oder wir reden uns das selber ein (darin sind wir nämlich ganz große Meister).

Aber es hat sich in den vergangenen 4 Jahren noch etwas massiv verändert… wir Frauen sprechen offen darüber. Als hätten wir unsere Stimme wiedergefunden. Veränderung fängt schon damit an, dass man sich eine Situation bewusst macht, sie greifen kann oder ausspricht. Das ist wirklich ganz wunderbar.

Im Übrigen habe ich dann einen Stuhl auf dem Flohmarkt gekauft, für 12 Euro… ich habe ihn himmelblau angestrichen und freue mich immer noch jeden Tag daran.


Eure Andrea

8 Kommentare

  1. Sabine
    22. September 2019 / 8:49

    Liebe Andrea,
    Ein super toller Artikel. In dem Stück „Ich weiß wieder wer ich bin…“ habe ich mich sowas von wiedergefunden. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Ich bin zwar verwitwet und nicht geschieden aber hier geht es mir von den Erfindungen her genau so. Dazu könnte ich gerade einen ganzen Roman antworten. Das würde den Rahmen sprengen. Danke und dir einen schönen Sonntag
    Liebe Grüße
    Sabine

  2. 22. September 2019 / 9:43

    So echt, so viele Gefühle, und ein perfektes Beispiel in einer Beziehung sich nicht aufzugeben, und das es sich wirklich lohnt manchmal schweren Herzens loszulassen, um sich weiterzuentwickeln. Habe ich bereits auch Freundinnen geraten, die am Anfang einer solchen Situation stehen. Danke für diesen Text!

  3. Barbara
    22. September 2019 / 21:33

    Liebe Andrea,
    erst heute morgen im Bad habe ich darüber nachgedacht, dass „ Deine Zeit“ scheinbar wirklich vorbei zu sein scheint. Damit meine ich Deinen langen Verarbeitungsprozess, an dem Du uns so sehr hast Teil haben lassen. Nun bin ich in diesem Prozess mittendrin. Zwar sind die Umstände ein wenig anders, aber Trennung ist irgendwie Trennung- mit allem, was damit zusammenhängt. Ich habe so profitiert von so vielen Wochengedanken und ich danke Dir für Deine Offenheit, Deine Analyse, Deine Ehrlichkeit und Deinen Mut. Ich habe Deinen wunderbaren Artikel sehr genossen gerade. Was ich manchmal nur als Fetzen in meinem Kopf habe, beschreibst Du so treffend. Das tut so gut. Gerne bei Bedarf mehr davon. Aber ich finde mich auch in den meisten anderen Deiner Themen wieder.
    Danke für Deinen tollen Blog.
    Hab einen schönen Abend.

    GLG, Barbara

  4. Alexandra
    23. September 2019 / 20:39

    Liebe Andrea, du sprichst mir absolut aus der Seele! Ich bin zwar nach drei Jahren Trennung mittlerweile geschieden, aber ich bin noch nicht so ganz fertig mit meinem Selbstfindungsprozess. Ich verstehe und sehe jetzt all die Situationen, in denen ich mich selbst verbogen habe, um den Frieden zu wahren. Aber ich denke nicht, dass ich schon so gestärkt bin, um ein erneutes „Verbiegen“ zu verhindern. Jeder braucht seine Zeit. Ich freue mich, deine persönliche Entwicklung mitzuerleben und finde dich unglaublich sympathisch und authentisch! Bleib dir treu?

  5. Uschi
    24. September 2019 / 10:19

    Guten Morgen Andrea,
    immer noch verheiratet, dabei wolltest du dich direkt nach dem Trennungjahr Scheiden lassen und deinen Mädchennamen wieder annehmen.
    In jedem Post Inhalte bzgl. der Ehe ich denke du bist da immer noch nicht drüberweg.
    Merkwürdig auch wie du schreibst warum dein Mann auf andere Farben steht, du lässt keine andere Meinung zu, alles muss laufen wie du es möchtest, jedenfalls meine Sichtweise, wenn ich so deine Berichte lese. Sobald einer seine Meinung äußert wirst du auch ungehalten und trotzig.
    Schönen Tag noch
    Viele Grüße Uschi

    • Andrea
      Autor
      24. September 2019 / 11:37

      Guten Morgen „Uschi“, vermutlich würde jeder normal empfindende Mensch genauso fühlen… nämlich erstmal alles dem Boden gleich machen… trennen, scheiden, Mädchennamen annehmen. Das waren meine Emotionen zum Anfang. Heute sieht das komplett anders aus. Und ja… Du hast recht. Ich möchte sehr gern, dass mein Leben so läuft, wie ich es möchte. Es freut mich sehr, dass Du trotzdem immer weiterlesen musst… auch, wenn ich gar nicht Deinen persönlichen Erwartungen entspreche. Und es tut mir wirklich leid, dass Du die Symbolkraft des roten Stuhls nicht verstanden hast. Herzliche Grüße und einen zauberhaften Tag für Dich liebe „Uschi“.

  6. Uschi
    26. September 2019 / 9:40

    Guten Morgen „Andrea“
    was für ein falscher Blog es liegen Welten zwischen deinem Reden und Handeln!. Meine Antwort von gestern nicht veröffentlicht finde ich sehr merkwürdig von dir. Schließlich ist so ein Artikel ein Austausch von Leser und Blogger selbst da lässt du nur deine Meinungen zu. Dabei schreibst du immer wie tollerant du Anderen gegenüber bist, dich weiter entwickelt hast???
    Deshalb hast du so wenige Kommentare weil sie nicht veröffentlicht werden,…Schade das man im Alter von Ü40 so kindisch reagiert!
    Hab einen traumhaften Tag ..
    Kaffee reich ?
    Gruß Uschi

    • Andrea
      Autor
      26. September 2019 / 12:42

      Hallo „Uschi, ich hab offen gesagt keine Ahnung wovon Du redest – all Deine Kommentare sind öffentlich. Andrea

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